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Терминологический словарь по стилистике 139

A

ab ovo

lat. «vom Ei an»; neben dem Erzählen medias in res eine seit der Antike praktizierte Form des Romanbeginns: Erzählen vom Ursprung der Handlung an (als «natürliche» Erzählstrategie prädestiniert für den «niederen» Roman)

actio

Begriff aus der Rhetorik, der einen Teil der Aufgaben eines Redners bei der Konzeption seiner Rede bezeichnet: die «Aufführung» (lat. «actor»: «Schauspieler», «Darsteller») bzw. das Vortragen der Rede; anderer Begriff: «pronuntiatio».

Allegorese

(f.), allegorische Auslegung eines Textes, die hinter dem Wortsinn (sensus litteraris) eine tiefere (philosophische, theologische, moralische, ethische etc.) Bedeutung aufzeigt (sensus spiritualis). Schon die antiken Stoiker erprobten die Allegorese an Homer, mit Philon von Alexandria wurde das Alte Testament der Allegorese unterzogen, im Mittelalter führte sie zur christlich fundierten Lehre vom mehrfachen Schriftsinn. Bsp.: Die Allegorese des Hohenliedes des Alten Testaments liest die Braut als Personifikation Israels bzw. der Kirche, den Bräutigam als Gott bzw. Christus. Vgl. auch Exegese.

Allegorie

(f.), bildhafte Darstellung eines abstrakten Begriffes in Kunst und Literatur, oft als Personifikation (Amor, Justitia, Fortuna). Kennzeichen der Allegorie ist, im Gegensatz zum Symbol, eine willkürlich gesetzte Beziehung zwischen dem Begriff und dem Bild, die der rationalen Auslegung bedarf (vgl. Allegorese, Exegese, Emblem), wobei die Allegorie immer aus mehreren Attributen addiert wird und dementsprechend «gelesen» werden kann: die Idee der «Gerechtigkeit» (Justitia) setzt sich zusammen aus dem «Urteil» über Gut und Böse (-> Waage) ohne «Ansehung» der Person (-> Augenbinde) und «Macht» zu strafen (-> Schwert).

Alliteration

(f.), gleicher Anlaut aufeinander folgender Wörter. Vgl. auch Stabreim sowie Anapher.

Amphibrachys

(m., Pl. Amphibrachen), antiker Versfuß aus zwei Kürzen um eine Länge (uúu), in der akzentuierenden Metrik der dt. Sprache zwei unbetonte um eine betonte Silbe (uúu), z.B. Sie nahen, sie kommen, die Himmlischen alle (Schiller). Deutsche Verse mit regelmäßiger zweisilbiger Senkung (Anapäst, Daktylus) werden leicht als Amphibrachen wahrgenommen (mit zusätzlicher bzw. fehlender Silbe am Anfang und einem katalektischen bzw. hyperkatalektischen Ende), vgl. den Vers: So umhaúch / test du mích / mit beraú / schendem Wáhn (anapästische Lesung) – So / umhaúchtest / du mích mit / beraúschen / dem Wáhn (amphibrachische Lesung) (A. W. Schlegel, Ion).

Anadiplose

oder Anadiplosis (f.): rhetorische Figur; Sonderform der Gemination; Wiederholung des letzten Wortes oder der letzten Wortgruppe eines Verses oder Satzes am Beginn des darauf folgenden Verses oder Satzes. Beispiel: Fern im Süd das schöne Spanien / Spanien ist mein Heimatland (E. Geibel, Der Zigeunerknabe).

Anagnorisis

griech. «Wiedererkennung»; wichtiges Element in der aristotelischen Dramentheorie; bezeichnet den Moment in der Handlungsstruktur einer Tragödie, in dem Figuren ihren bisherigen Irrtum (das Verkennen des Wesens von anderen Figuren oder Zuständen; hamartia) erkennen, ausgelöst durch das Erkennen von Verwandtschaftsverhältnissen; Beispiel: in Goethes Iphigenie auf Tauris erkennt Iphigenie in einem gefangenen Griechen, den sie als Priesterin opfern soll, ihren Bruder Orest

Anakoluth

(n.): rhetorische Figur; grammatisch unrichtige Konstruktion eines Satzes, z.B.: Sie kaufte einen Wecker, der, nachdem er eine Woche lang immer pünktlich geläutet hatte, war er kaputt.

Anapäst

(m.), antiker Versfuß aus zwei kurzen und einer langen Silbe (uuú), in der akzentuierenden Metrik der dt. Sprache aus zwei unbetonten und einer betonten Silbe (uuú), z.B. nebenbeí (Ggs.: Daktylus). Im antiken Drama oft in Parodos oder Exodus verwendet, in dt. Dichtung seit der Romantik, jedoch selten verwendet (A.W. Schlegels Ion 1803, Goethes Pandora 1808/1810), teilweise auch mit ein- oder dreisilbiger Senkung. Durch Umlagerung werden Anapäste oft daktylisch empfunden, vgl. auch Amphibrachys.

Anapher

(f.), rhetorische Figur; Wiederholung eines Wortes oder einer Wortgruppe am Anfang aufeinanderfolgender Verse, Strophen, Sätze oder Satzteile. Bsp.: Glücklich, den ein leerer Traum beschäftigt! Glücklich, dem die Ahndung eitel wär! (Goethe: Warum gabst du uns die tiefen Blicke). Vgl. dagegen Epipher.

Anfangsreim

(m.), Reim am Anfang zweier oder mehrere Verse, Bsp.: Krieg! ist das Losungswort. / Sieg! und so klingt es fort. (Goethe: Helena-Akt in Faust II). Vgl. auch Endreim, Binnenreim.

Antithese

(f.), rhetorische Figur; Gegenüberstellung sich logisch widersprechender Begriffe, Bilder oder ganzer Aussagen in Satzteilen oder Sätzen, z.B. Krieg und Frieden (Tolstoij), Der Wahn ist kurz, die Reu’ ist lang (Schiller: Das Lied von der Glocke). Sehr häufig in der Dichtung des Barock, v. a. im Petrarkismus: Der schultern warmer schnee wird werden kalter sand (Hofmannswaldau: Vergänglichkeit der Schönheit). Vgl. auch Chiasmus.

Antonomasie

eine Trope: Umschreibung eines Namens; z.B.: «der Kaiser» statt «Franz Beckenbauer».

Aposiopese

(f.): rhetorische Figur; bewusster Abbruch eines Satzes vor der entscheidenden Aussage, im Gegensatz zur Ellipse also Auslassung des Wesentlichen, das vom Leser ergänzt werden muss; dient ähnlich wie die Ellipse dem Ausdruck von Affekten. Beispiel: Was! Ich? Ich hätt ihn –? Unter meinen Hunden –? Mit diesen kleinen Händen hätt ich ihn –? (Kleist, Penthesilea).

Apostrophe

(f.): rhetorische Figur; direkte Anrede abwesender Personen oder Objekte, wobei diese notwendigerweise personifiziert werden, z.B.: Saget, Steine, mir an, oh sprecht, ihr hohen Paläste / Straßen, redet ein Wort! (Goethe: Römische Elegien).

aptum

Prinzip der antiken Stil-Lehre: Angemessenheit; Feingefühl für das, was in semantischer, stilistischer, situativer etc. Hinsicht am besten passt; siehe auch decorum

Archetyp

lat. «Urbild»; Begriff der Editionswissenschaft: die älteste Textstufe, die sich aus der Überlieferung erschließen lässt und die gemeinsame Vorlage aller erhaltenen Handschriften bildet; nicht identisch mit dem (verloren gegangenen) Autortext, kommt diesem aber mutmaßlich am nächsten

argumentatio

a) Begriff aus der Rhetorik, der die Summe aller (rhetorischen) Mittel bezeichnet, um Menschen zu beeinflussen; b) Teil einer Rede: Beweisführung

Asyndeton

(n.): «Unverbundenheit»; rhetorische Figur; Reihung gleichgeordneter Wörter, Satzglieder oder Satzteile ohne verbindende Konjunktion, z.B. Alles rennet, rettet, flüchtet (Schiller). Gegenteil: Polysyndeton

Auftakt

(m.), eine oder mehrere unbetonte Silbe(n) am Versanfang vor der ersten Hebung. Vgl. Vers, Metrum, Versfuß.

aut prodesse volunt aut delectare poetae

lat. »die Dichter wollen entweder nützen oder unterhalten«; bezeichnet nach Horaz (De arte poetica) die Wirkung von Dichtung, die sich auf das ästhetische Vergnügen (delectare) und den gesellschaftlichen Nutzen (prodesse) richtet

Autopoeisis

griech. autós: «selbst», griech. poieín: «machen», «erzeugen»; ursprünglich in der Biologie/Neurophysiologie entwickelter Begriff aus der Systemtheorie; Systeme können autopoetisch sein, d.h. sich selber bilden (Beispiel: das System «Maus» generiert und reproduziert sich aus Mäusen); ein autopoetisches System ist ein selbstreferenziell-geschlossener Zusammenhang von Operationen

autorisierter Text

Begriff aus der Editionswissenschaft:

a) alle Autographen, d.h. alle vom Autor des Textes selbst angefertigten Niederschriften;

b) die in seinem Auftrag und unter seiner Aufsicht hergestellten Abschriften;

c) die von ihm gebilligten Drucke

axiologischer Wert

Begriff aus der Theorie der literarischen Wertung; bezeichnet den Maßstab, anhand dessen ein Kritiker (allgemeiner: die wertende Instanz) ein Werturteil über einen Gegenstand fällt, den Maßstab also, der ein Objekt oder ein Merkmal eines Objekts als «wertvoll» erscheinen lässt

B

Beobachtung

Begriff aus der Systemtheorie; bezeichnet die Basis-Operation von Systemen; eine Beobachtung erster Ordnung operiert auf der Ebene des Faktischen («was» wird beobachtet); wenn eine Abgrenzung zwischen System und Umwelt vorgenommen wird (nach dem Grundprinzip der Systemtheorie: draw a distinction), kann eine Beobachtung zweiter Ordnung erfolgen, d.h.: ein System beobachtet sich selbst beim Beobachten

Binnenreim

(m.), Reim innerhalb eines Verses, Bsp.: Es lispeln und wispeln die schlüpfrigen Brunnen / [...] / Sie schauren, betrauren und fürchten bereit (Johann Klaj: Landschaft). Vgl. auch Endreim, Anfangsreim.

Blankvers

(m.), ungereimter fünfhebiger Jambus mit akatalektischer oder hyperkatalektischer Endung bzw. männlicher oder weiblicher Kadenz, Bsp.: Oh gében dír die Götter deíner Taten / Und déiner Mílde wóhlverdíenten Lóhn (Goethe: Iphigenie). Der Blankvers wurde im 18. Jh. aus dem Englischen durch Übersetzungen in die dt. Dichtung übernommen und wurde mit Lessings Nathan der Weise (1779) zum gebräuchlichsten Vers des dt. Dramas (zuvor: Wieland: Lady Johanna Gray 1758).

brevitas

Prinzip der antiken Stil-Lehre: Kürze und Prägnanz

C

Chiasmus

(m.), rhetorische Figur; syntaktische Überkreuzstellung von Wortgruppen oder Sätzen, meist bei Antithesen, z.B. Die Kunst ist lang und kurz ist unser Leben (Goethe: Faust I). Gegensatz: Parallelismus.

Chorlied

(n.), a) im antiken Griechenland weitverbreitete lyrische Dichtung für den Gesangsvortrag eines Chores; viele gr. Chorlieder sind triadisch in Strophe/Ode, Antistrophe/Antode und Epode eingeteilt (vgl. Pindarische Ode); b) konstitutives Element der antiken Tragödie, die sich aus Chorwettbewerben anlässlich der Dionysien und den dort vorgetragenen Dithyramben durch Einführung einer Wechselrede zwischen Chor und Chorführer sowie der Schauspieler entwickelte. Formen: Parodos (Einzugslied), Stasimon (Standlied), Exodos (Auszugslied), Ggs.: Monodie; c) allgemein jede für den Gesangsvortrag eines Chores als Vielzahl von Stimmen bestimmte lyrische Dichtung (Ggs.: Monodie).

Completio

oder Complexio (f.): s. Symploke.

Contradictio in adjecto

(f.): «Widerspruch im Beiwort», rhetorische Figur; als Spezialfall des Oxymorons; semantisch widersprüchliche Verbindung eines Substantivs und seines Attributs, z.B. heißer Schnee, alter Knabe, weiser Narr. Vgl. auch Antithese.

D

Daktylus

(m., Pl. Daktylen), antiker Versfuß aus einer langen und zwei kurzen Silben (úuu), in der akzentuierenden Metrik der dt. Sprache aus einer betonten und zwei unbetonten Silben (úuu), z.B. feíerlich (Ggs.: Anapäst). In der Antike v.a. im Hexameter und Pentameter gebräuchlich (vgl. auch Distichon); in mittelhochdeutscher Lyrik häufig, im Barock von Buchner und Zesen als Nachahmung antiker Formen verwendet, dann wieder in Sturm und Drang und Klassik beliebt (Goethe, Schiller, Hölderlin). Vgl. auch Amphibrachys.

decorum

lat. «das, was sich ziemt»; insbesondere in der klassizistischen Tradition (Horaz) ein zentrales rhetorisches Stilprinzip: die Angemessenheit des Stoffes und der Darstellungsweise; abhängig von den Normen und Tabus der jeweiligen Zeit/Gesellschaft; siehe auch aptum

Dekonstruktion

methodologisches Paradigma auf der Basis der poststrukturalistischen Zeichentheorie (Poststrukturalismus); während der Strukturalismus versucht, den (eindeutigen) «Sinn» eines Textes zu rekonstruieren, bestreitet die Dekonstruktion die Möglichkeit eines einzigen Textsinns und richtet deshalb das eigene Erkenntnisinteresse darauf aus, die jedem Text inhärenten Widersprüche aufzuspüren. Hintergrund: Zeichen werden als mehrdeutig und unscharf verstanden; die Technik der Dekonstruktion richtet sich daher vor allem auf die Analyse von Mitteln uneigentlichen Sprechens, z.B. auf Metaphern und Metonymien, die mehrdeutig sind und den «eigentlichen» (z.B. vom Autor intendierten) Sinn unterlaufen. Kontext: Die Dekonstruktion übt Kritik am sog. Logozentrismus der abendländischen Philosophie; der Dekonstruktion zufolge kann die Wirklichkeit nicht vollständig begriffen und beherrscht werden, da wir unser rationales Handwerkszeug – die Sprache – nicht kontrollieren können.

delectare

aut prodesse volunt aut delectare poetae

Dialogizität

(f.), auf Michail Bachtin zurückgehendes Konzept der Ambiguität von Worten bzw. Äußerungen, die durch die Interferenz zweier Sprechweisen («Stimmen») entsteht. Im Gegensatz zum äußeren, von zwei Sprechpartnern gestalteten Dialog meint Dialogizität also die «innere» Dimension einer Aussage als deren Mehrstimmigkeit; paradigmatisch zeigt sie sich in mehrstimmigen, polyphonen Texten. Erweitert auch auf «äußerlich» dialogische Textbeziehungen wurde Bachtins Konzept der Dialogizität zur Grundlage von Julia Kristevas Theorie der Intertextualität. Ggs.: Monologizität.

différance

abgeleitet von frz. «différe»: «verzöger»‹, «abweichen»; von Jacques Derrida geprägter Begriff der poststrukturalistischen Zeichentheorie (Poststrukturalismus); anders als der klassische Strukturalismus, der die Zeichen als Stellvertreter für das Bezeichnete (und damit als «sekundär») auffasst, versteht Derrida die Zeichen als «ursprünglich»; seiner Ansicht nach werden die Dinge durch die Zeichen nicht vertreten, sondern «verdrängt» (wo das Wort «Rose» ist, da gibt es die Blume nicht). Um die starre Koppelung von Bezeichnetem und Bezeichnendem im Strukturalismus zu brechen, verwendet Derrida den Neologismus «différance»; durch die orthografische Abweichung (korrekt: «différence») wird die Differenz von Sprache und Schrift markiert (phonetisch sind «différence» und «différance» identisch). Während der Strukturalismus das Verhältnis von Zeichen und Bezeichnetem zeitlich versteht (erst die Sache, dann das Zeichen), begreift Derrida die Beziehung als räumliche: die Zeichen «verschieben» den Sinn vom bezeichneten Objekt weg auf sich selbst bzw. auf andere Zeichen hin.

discours

frz. für «Rede», «Vortrag»; Begriff der Erzähltheorie, der das «Wie» des Erzählens bezeichnet; die Präsentationsformen, mittels derer eine Geschichte dargeboten wird; berücksichtigt u.a. die Anordnung des Erzählten (Vorgriffe, Rückblenden etc.) und die Erzählperspektive; kann von der histoire erheblich abweichen frz.

dispositio

Begriff aus der Rhetorik, der einen Teil der Aufgaben eines Redners bei der Konzeption seiner Rede bezeichnet: die Gliederung und Strukturierung des Stoffs und der Argumente (nach den Gesichtspunkten des angestrebten Ziels)

Distichon

(n.), Plural: Distichen; griech. «dis» = «doppelt» und «stichos» = «Vers»; Strophe aus zwei verschiedenen Verstypen; meistens: aus einem Hexameter und einem Pentameter bestehendes Verspaar (Beispiel: Im Hexameter steigt des Springquells flüssige Säule, / Im Pentameter drauf fällt sie melodisch herab (Schiller); meistens in Epigrammen und Elegien vorkommend (elegisches Distichon).

Dithyrambus

(m., auch Dithyrambe, f., Pl. Dithyramben), Form der gr. Chorlyrik als mehrteiliges, bei den Dionysien kultisch vorgetragenes Chorlied, Hymne zu Ehren von Dionysos, Ursprung des antiken Dramas (vgl. Chorlied).

divisio

Begriff aus der Rhetorik, der einen Teil einer Rede bezeichnet: Aufbauskizze der Beweisführung

E

eleos

Katharsis

Ellipse

(f.): «Auslassung»; rhetorische Figur; Weglassen von Satzgliedern, die für das Verständnis des Sinnzusammenhanges nicht wesentlich sind (im Unterschied zur Aposiopese), z.B.: Was nun? statt Was machen wir nun?. Ellipsen dienen der Steigerung der Expression und finden sich daher vor allem in «leidenschaftlicher» Sprache, oft im Drama des Sturm und Drang. Beispiel: Verflucht ich, daß ich es sagte! statt Verflucht sei ich, daß ich es sagte! (Schiller, Die Räuber).

elocutio

Begriff aus der Rhetorik, der einen Teil der Aufgaben eines Redners bei der Konzeption seiner Rede bezeichnet: die sprachliche und stilistische Darstellung; gilt neben der argumentatio als zweite Säule der Rhetorik

Emblem

(n., Pl. Emblemata), dreiteiliges, aus Bild und Text bestehendes Sinnbild, weit verbreitet in der europ. Kunst vom 16.-18. Jh, bestehend aus 1. der Inscriptio (auch: Lemma, Motto), d. h. einer kurzen, meist lat. oder gr. Überschrift, 2. der Pictura (auch: Imago, Icon), d. h. einem Bild als Holzschnitt oder Kupferstich und 3. der Subscriptio, einem meist als Epigramm gehaltenen, den im Bild allegorisch-verschlüsselt dargestellten Sinn des Emblems erläuternden Text. Die Emblematik war für die Gestaltungstechniken barocker Schauspiele oder Romane prägend.

Emblematik

(f.), a) Emblemkunst, b) Lehre und Wissenschaft von den Emblemen, Teil der Toposforschung.

Emendation

lat. «emendatio» = «Verbesserung»; bezeichnet in der Editionswissenschaft die Korrektur von eindeutigen Fehlern der Leithandschrift mit Hilfe anderer Handschriften

Endreim

Reim am Ende zweier oder mehrerer Verse, Bsp.: Das Schiff geborsten. Das Feuer verschwelt. / Gerettet alle. Nur einer fehlt. (Fontane: John Maynard). Vgl. auch Binnenreim, Anfangsreim.

Epanalepsis

oder Epanalepsis (f.): rhetorische Figur; Wiederholung eines Wortes oder einer Wortgruppe innerhalb eines Verses oder Satzes, jedoch nicht unmittelbar aufeinander folgend wie bei der Gemination. Beispiel: Und atmete lang und atmete tief (Schiller, Der Taucher).

Epeisodion

(n., Pl. Epeisodia), Bauelement des antiken Dramas, zwischen zwei Chorlieder eingeschobene Dialog- bzw. Schauspielszene. Im gr. Drama gab es meist drei Epeisodia.

Epigramm

(n.), Sinngedicht; in der gr. Antike ursprünglich kurze Aufschrift auf Kunstwerken, Grab- und Denkmälern; meist in Distichen verfasst; als Begründer der Gattung gilt Simonides von Keos (5.-4. Jh. v. Chr.). Von Martial (1. Jh. n. Chr.) wurde das satirische Epigramm entwickelt, das für nachfolgende Epochen (Humanismus, Barock) und auch die wirkungsmächtige Definition von Lessing (Zerstreute Anmerkungen über das Epigramm und einige der vornehmsten Epigrammatiker, 1771) prägend blieb, der als konstitutive Bestandteile des Epigramms die «Erwartung» (auf die Klärung eines Sachverhaltes) und den «Aufschluss» (die Einlösung der Erwartung in einer überraschenden, pointierten Schlusswendung) bestimmt.

Epipher

(f.), rhetorische Figur; Wiederholung eines Wortes oder einer Wortgruppe am Ende aufeinanderfolgender Sätze, Satzteile oder Verse (dann als identischer Reim). Bsp.: Doch alle Lust will Ewigkeit -, / Will tiefe, tiefe Ewigkeit! (Nietzsche: Das trunkene Lied). Vgl. dagegen Anapher.

Epizeuxis

(f.): rhetorische Figur; unmittelbare, drei- oder mehrfache Wiederholung eines Wortes oder einer Wortgruppe, z.B. Nein! nein! nein! das kann nicht sein. (Schiller, Die Räuber). Vgl. Geminatio.

Epos

griech. «Wort», «Erzählung»; narrative Großform in Versen

Erhabene, das

komplexer Begriff aus der Dichtungstheorie; Gegenbegriff zum «Schönen», der gegen Ende des 18. Jahrhunderts in der europäischen Ästhetik wichtig geworden ist

Euphemismus

(m.): rhetorisches Stilmittel, Trope; beschönigende Umschreibung, z.B. das Zeitliche segnen oder entschlafen für sterben.

Exegese

(f.): Auslegung von Texten, vorwiegend in Bezug auf Texte mit Verkündigungscharakter oder Gesetzestexte, v.a. christliche Bibel-Exegese. Vgl. auch Allegorese, Lehre vom mehrfachen Schriftsinn.

exordium

Begriff aus der Rhetorik, der die Einleitung einer Rede bezeichnet

F

Falkentheorie

(f.), von P. Heyse im Anschluss an eine Analyse der «Falkennovelle» aus Boccaccios Decamerone (5. Tag, 9. Geschichte) entwickelte Novellentheorie, die für jede Novelle einen «Falken» fordert, d.h. ein prägnantes Motiv als Mittelpunkt der Erzählung. Die jüngere Forschung stellt die Haltbarkeit der Falkentheorie in Frage, da sie einseitig-normativ verfährt.

Figura etymologica

(f.): rhetorische Figur; Form der Paronomasie; Verbindung zweier Wörter desselben Wortstammes, aber verschiedener Wortklassen (im Unterschied zum Polyptoton) in einem Ausdruck oder Satz. Meist werden Verb und Nomen desselben Wortstammes auf diese Weise miteinander verbunden, z.B. Wer andern eine Grube gräbt, [...] (Sprichwort); Hast nicht einmal so viel Scham, dich dieser Streiche zu schämen? (Schiller, Die Räuber).

freie Rhythmen

(m. Pl.) reimlose, metrisch ungebundene Verse mit beliebiger Silbenanzahl und unterschiedlich vielen Hebungen und Senkungen, die dennoch einen bestimmten Rhythmus aufweisen: Im Unterschied zur Prosa sind Korrespondenzen in der Verteilung der Hebungen erkennbar. Frei Rhythmen erscheinen in Gedichten ohne feste Strophenform, die Verse können aber dennoch in Versgruppen beisammen stehen. Bsp.: Goethe, Prometheus, Wanderers Sturmlied. Vgl. auch Ode.

G

Geminatio

oder Gemination (f.): «Verdopplung», rhetorische Figur; unmittelbare Wiederholung eines Wortes oder einer Wortgruppe, z.B.: Worte! Worte! Keine Taten! (Heine) oder Mein Vater, mein Vater, jetzt fasst er mich an! (Goethe, Erlkönig). Im Gegensatz zur Anapher oder Ephipher folgen die sich wiederholenden Wörter bzw. Wortgruppen hier also unmittelbar aufeinander, die Wiederholung erfolgt nicht erst im nächsten Vers oder Satz. Vgl. auch Epanalepse.

gender

engl. «Geschlechtsidentität»; zentraler Begriff der «Gender Studies»; diese unterscheiden zwischen (biologischem) sex und (kulturell/sozial bedingtem und daher historisch wandelbarem) gender; sie verstehen Weiblichkeit nicht (primär) als biologischen Status, sondern als soziales, psychologisches, kulturelles Konstrukt

Gender Studies

literaturtheoretischer Ansatz, der aus der politisch motivierten Frauenbewegung hervorgegangen ist, die sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts formiert hat; die Gender Studies werfen wie die Women’s Studies einen neuen Blick auf die Literaturgeschichte und legen dabei das Augenmerk auf weibliche Autoren, «weibliches» Schreiben etc. Der zentrale Ansatz besteht darin, Geschlechterrollen und das Geschlechterverhältnis als kulturell und historisch bedingte Konstrukte zu begreifen (gender). Vertreterinnen: u.a. Judith Butler, Hélène Cixous, Luce Irigaray, Julia Kristeva

genus grande (sublime)

Begriff aus der Stil-Lehre, der den erhabenen, großartigen Stil bezeichnet (kunstvolles bzw. «unnatürliches» Sprechen)

genus medium (mixtum)

Begriff aus der Stil-Lehre, der die mittlere Stilebene bezeichnet

genus subtile

Begriff aus der Stil-Lehre, der den schlichten, einfachen Stil bezeichnet (schmuckloses bzw. «natürliches» Sprechen)

Grenzüberschreitung

Begriff aus der strukturalen Erzähltheorie von Jurij M. Lotman (Strukturalismus). Um die narrative Struktur eines Textes zu bestimmen, nimmt Lotman räumliche Strukturen in den Blick. Eine Grenzüberschreitung liegt genau dann vor, wenn eine Figur über die Grenze zwischen zwei semantischen Räumen versetzt wird; diese Grenzüberschreitung kann die Figur willentlich und aktiv oder unwillentlich und passiv vornehmen (z.B. vom Leben zum Tod: a) willentlich: Selbstmord, b) unwillentlich: Ermordung). Vgl. auch Ereignis

H

Hymne

(f., auch gr. Hymnus, lat. Hymnus, m.), feierlicher Lob- und Preisgesang zu Ehren eines Helden oder Gottes, meist religiös motiviert. In der gr. Antike Einzel-, Wechselgesang oder Chorlied mit einem meist dreiteiligen Aufbau in Anrufung des Gottes, Erzählung mythischer Ereignisse und Gebet; meist in Hexametern, vgl. auch Dithyrambus. Im Mittelalter Bezeichnung für einen strophisch gegliederten, lat. Lobgesang Gottes im Umkreis der christlichen Liturgie; im Barock noch strophisch gegliedert als Preisgesang auf Gott, Helden, Fürsten, abstrakte Begriffe und Tugenden; in Empfindsamkeit und Sturm und Drang v.a. durch die Hymnendichtung Klopstocks und des Göttinger Hains bedeutsame lyrische Gattung zum Ausdruck von Ergriffenheit und Erhabenheit, hier nicht mehr eindeutig von der Ode zu trennen.

Hyperbaton

(n.): «Sperrung», rhetorische Figur; Trennung syntaktisch eng zusammengehöriger Wörter, etwa der Wörter eines Satzgliedes, durch einen Einschub, meist durch die Vorwegnahme eines späteren Satzteils; dient der besonderen Hervorhebung der auseinandergerissenen Wörter oder wird aus rein rhythmischen Gründen gesetzt. Beispiel: Bereit ein Mahl, dass ich des Halmes Frucht / Noch einmal koste, und der Rebe Kraft (Hölderlin) statt Bereit ein Mahl, dass ich des Halmes Frucht / und der Rebe Kraft noch einmal koste.

Hyperbel

(f.), (positive oder negative) Übertreibung mit bewusst komischem oder auch ernst gemeintem Effekt. Viele Hyperbeln sind in die Umgangssprache übernommen worden und haben so ihren eigentlichen hyperbolischen Effekt verloren, z.B. blitzschnell oder wie Sand am Meer.

hyperkatalektisch

in der antiken Metrik Bezeichnung für einen Vers, dessen letzter Versfuß eine, selten mehrere überzählige Silben hat, v.a. bei Jamben und Anapästen. Vgl. auch katalektisch und akatalektisch sowie Kadenz.

Hyperoche

Spezialfall der Hyperbel: Übersteigerung einer Person oder eines Gegenstandes ins Unvergleichliche und Einmalige, z.B. das Beste vom Besten.

Hypertextualität

(f.), Beziehung zwischen dem Hypotext und dem neu entstandenen, diesen überlagernden Hypertext, nach G. Genette Form der Transtextualität. Hypertextualität liegt z.B. bei der Parodie, der Travestie oder der Nachahmung vor.

Hypotext

(m.), von G. Genette geprägter Begriff zur Bezeichnung eines Textes, der die Grundlage für einen neuen Text bildet; vgl. Hypertextualität.

Hysteron proteron

(n.) oder Hysterologie (f.): «falsche Folge», rhetorische Figur; Verkehrung der Reihenfolge zweier zeitlich und/oder logisch aufeinanderfolgender Glieder, z.B.: Ihr Mann ist tot und lässt Sie grüßen (Goethe, Faust I).

I