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die der Boden vorgegeben wird, auf dem sich jede ontisch-welt- anschauliche Daseinsauslegung bewegt, mag sie das Dasein als »Lebenssorge« und Not oder gegenteilig verstehen.

Die ontisch sich aufdrängende »Leere« und »Allgemeinheit« der existenzialen Strukturen hat ihre eigene ontologische Bestimmtheit und Fülle. Das Ganze der Daseinsverfassung selbst ist daher in seiner Einheit nicht einfach, sondern zeigt eine strukturale Gliederung, die im existenzialen Begriff der Sorge zum Ausdruck kommt.

Die ontologische Interpretation des Daseins hat die vorontologische Selbstauslegung dieses Seienden als »Sorge« auf den existenzialen Begriff der Sorge gebracht. Die Analytik des Daseins zielt jedoch nicht auf eine ontologische Grundlegung der Anthropologie, sie hat fundamentalontologische Abzweckung. Diese bestimmte zwar unausgesprochen den Gang der bisherigen Betrachtungen, die Auswahl der Phänomene und die Grenzen des Vordringens der Analyse. Im Hinblick auf die leitende Frage nach dem Sinn von Sein und ihre Ausarbeitung muß sich jetzt aber die Untersuchung ausdrücklich des bisher Gewonnenen versichern. Dergleichen läßt sich aber durch äußerliche Zusammenfassung des Erörterten nicht erreichen. Vielmehr muß, was zu Beginn der existenzialen Analytik nur roh angezeigt werden konnte, mit Hilfe des Gewonnenen auf ein eindringlicheres Problemverständnis zugespitzt werden.

§ 43. Dasein, Weltlichkeit und Realität

Die Frage nach dem Sinn von Sein wird überhaupt nur möglich, wenn so etwas wie Seinsverständnis ist. Zur Seinsart des Seienden, das wir Dasein nennen, gehört Seinsverständnis. Je angemessener und ursprünglicher die Explikation dieses Seienden gelingen konnte, um so sicherer wird der weitere Gang der Ausarbeitung des fundamental-ontologischen Problems ans Ziel kommen.

Im Verfolg der Aufgaben einer vorbereitenden existenzialen Analytik des Daseins erwuchs die Interpretation von Verstehen, Sinn und Auslegung. Die Analyse der Erschlossenheit des Daseins zeigte ferner, daß mit dieser das Dasein gemäß seiner Grundverfassung des In-der-Welt-seins gleichursprünglich hinsichtlich der Welt, des In-seins und des Selbst enthüllt ist. In der faktischen Erschlossenheit von Welt ist ferner innerweltliches Seiendes mitentdeckt. Darin liegt: Das Sein dieses Seienden wird in gewisser Weise immer schon verstanden, wenngleich nicht angemessen ontologisch begriffen. Das vor-

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ontologische Seinsverständnis umgreift zwar alles Seiende, das im Dasein wesenhaft erschlossen ist, das Seinsverständnis selbst hat sich aber noch nicht entsprechend den verschiedenen Seinsmodi artikuliert.

Die Interpretation des Verstehens zeigte zugleich, daß sich dieses zunächst und zumeist schon in das Verstehen von »Welt« verlegt hat gemäß der Seinsart des Verfallens. Auch wo es nicht nur um ontische Erfahrung, sondern um ontologisches Verständnis geht, nimmt die Seinsauslegung zunächst ihre Orientierung am Sein des innerweltlichen Seienden. Dabei wird das Sein des zunächst Zuhandenen übersprungen und zuerst das Seiende als vorhandener Dingzusammenhang (res) begriffen. Das Sein erhält den Sinn von Realität1. Die Grundbestimmtheit des Seins wird die Substanzialität. Dieser Verlegung des Seinsverständnisses entsprechend, rückt auch das ontologische Verstehen des Daseins in den Horizont dieses Seinsbegriffes. Dasein ist auch wie anderes Seiendes real vorhanden. So erhält denn das Sein überhaupt den Sinn von Realität. Der Begriff der Realität hat demnach in der ontologischen Problematik einen eigentümlichen Vorrang. Dieser verlegt den Weg zu einer genuinen existenzialen Analytik des Daseins, ja sogar schon den Blick auf das Sein des innerweltlich zunächst Zuhandenen. Er drängt schließlich die Seinsproblematik überhaupt in eine abwegige Richtung. Die übrigen Seinsmodi werden negativ und privativ mit Rücksicht auf Realität bestimmt.

Deshalb muß nicht nur die Analytik des Daseins, sondern die Ausarbeitung der Frage nach dem Sinn von Sein überhaupt aus der einseitigen Orientierung am Sein im Sinne von Realität herausgedreht werden. Es bedarf des Nachweises: Realität ist nicht allein eine Seinsart unter andern, sondern steht ontologisch in einem bestimmten Fundierungszusammenhang mit Dasein, Welt und Zuhandenheit. Dieser Nachweis erfordert eine grundsätzliche Erörterung des Realitätsproblems, seiner Bedingungen und Grenzen.

Unter dem Titel »Realitätsproblem« vermengen sich verschiedene Fragen: 1. ob das vermeintlich »bewußtseinstranszendente« Seiende überhaupt sei; 2. ob diese Realität der »Außenwelt« zureichend bewiesen werden könne; 3. inwieweit dieses Seiende, wenn es real ist, in seinem An-sich-sein zu erkennen sei; 4. was der Sinn dieses Seienden, Realität, überhaupt bedeute. Die folgende Erörterung des Realitätsproblems behandelt mit Rücksicht auf die fundamentalonto-

1 Vgl. oben S. 89 ff. und S. 100.

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logische Frage ein Dreifaches: a) Realität als Problem des Seins und der Beweisbarkeit der »Außenwelt«, b) Realität als ontologisches Problem, c) Realität und Sorge.

a) Realität als Problem des Seins und der Beweisbarkeit der »Außenwelt«

In der Ordnung der aufgezählten Fragen nach der Realität ist die ontologische, was Realität überhaupt bedeute, die erste. Solange jedoch eine reine ontologische Problematik und Methodik fehlte, mußte sich diese Frage, wenn sie überhaupt ausdrücklich gestellt wurde, mit der Erörterung des »Außenweltproblems« verschlingen; denn die Analyse von Realität ist nur möglich auf dem Grunde des angemessenen Zugangs zum Realen. Als Erfassungsart des Realen aber galt von jeher das anschauende Erkennen. Dieses »ist« als Verhaltung der Seele, des Bewußtseins. Sofern zu Realität der Charakter des An-sich und der Unabhängigkeit gehört, verknüpft sich mit der Frage nach dem Sinn von Realität die nach der möglichen Unabhängigkeit des Realen »vom Bewußtsein«, bzw. nach der möglichen Transzendenz des Bewußtseins in die »Sphäre« des Realen. Die Möglichkeit der zureichenden ontologischen Analyse der Realität hängt daran, wie weit das, wovon Unabhängigkeit bestehen soll, was transzendiert werden soll, selbst hinsichtlich seines Seins geklärt ist. Nur so wird auch die Seinsart des Transzendierens ontologisch faßbar. Und schließlich muß die primäre Zugangsart zum Realen gesichert sein im Sinne einer Entscheidung der Frage, ob überhaupt das Erkennen diese Funktion übernehmen kann.

Diese einer möglichen ontologischen Frage nach der Realität vorausliegenden Untersuchungen sind in der vorstehenden existenzialen Analytik durchgeführt. Erkennen ist danach ein fundierter Modus des Zugangs zum Realen. Dieses ist wesenhaft nur als innerweltliches Seiendes zugänglich. Aller Zugang zu solchem Seienden ist ontologisch fundiert in der Grundverfassung des Daseins, dem In-der-Welt-sein. Dieses hat die ursprünglichere Seinsverfassung der Sorge (Sich vorweg – schon sein in einer Welt

– als Sein bei innerweltlichem Seienden).

Die Frage, ob überhaupt eine Welt sei und ob deren Sein bewiesen werden könne, ist als Frage, die das Dasein als In-der- Welt-sein stellt – und wer anders sollte sie stellen? – ohne Sinn. Überdies bleibt sie mit einer Doppeldeutigkeit behaftet. Welt als das Worin des In-Seins und »Welt« als innerweltliches Seiendes, das Wobei des besorgenden

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Aufgehens, sind zusammengeworfen, bzw. gar nicht erst unterschieden. Welt aber ist mit dem Sein des Daseins wesenhaft erschlossen; »Welt« ist mit der Erschlossenheit von Welt je auch schon entdeckt. Allerdings kann gerade das innerweltliche Seiende im Sinne des Realen, nur Vorhandenen noch verdeckt bleiben. Entdeckbar jedoch ist auch Reales nur auf dem Grunde einer schon erschlossenen Welt. Und nur auf diesem Grunde kann Reales noch verborgen bleiben. Man stellt die Frage nach der »Realität« der »Außenwelt« ohne vorgängige Klärung des Weltphänomens als solchen. Faktisch orientiert sich das »Außenweltproblem« ständig am innerweltlichen Seienden (den Dingen und Objekten). So treiben diese Erörterungen in eine ontologisch fast unentwirrbare Problematik.

Die Verwicklung der Fragen, die Vermengung dessen, was bewiesen werden will, mit dem, was bewiesen wird, und mit dem, womit der Beweis geführt wird, zeigt sich in Kants »Widerlegung des Idealismus«1. Kant nennt es »einen Skandal der Philosophie und allgemeinen Menschenvernunft«2, daß der zwingende und jede Skepsis niederschlagende Beweis für das »Dasein der Dinge außer uns« immer noch fehle. Er selbst legt einen solchen Beweis vor und zwar als Begründung des »Lehrsatzes«: »Das bloße, aber empirisch bestimmte Bewußtsein meines eigenen Daseins beweist das Dasein der Gegenstände im Raum außer mir«3.

Zunächst ist ausdrücklich zu bemerken, daß Kant den Terminus »Dasein« zur Bezeichnung der Seinsart gebraucht, die in der vorliegenden Untersuchung »Vorhandenheit« genannt wird. »Bewußtsein meines Daseins« besagt für Kant: Bewußtsein meines Vorhandenseins im Sinne von Descartes. Der Terminus »Dasein« meint sowohl das Vorhandensein des Bewußtseins wie das Vorhandensein der Dinge.

Der Beweis für das »Dasein der Dinge außer mir« stützt sich darauf, daß zum Wesen der Zeit gleichursprünglich Wechsel und Beharrlichkeit gehören. Mein Vorhandensein, das heißt das im inneren Sinn gegebene Vorhandensein einer Mannigfaltigkeit von Vorstellungen, ist vorhandener Wechsel. Zeitbestimmtheit aber setzt etwas beharrlich Vorhandenes voraus. Dieses aber kann nicht »in uns« sein, »weil eben mein Dasein in der Zeit durch dieses Beharrliche allererst bestimmt werden kann«4. Mit dem empirisch gesetzten vorhandenen

1 Vgl. Kr. d. r. V., 2. A. [B] S. 274 ff., ferner die verbessernden Zusätze in der Vorrede zur 2. Aufl. S. XXXIX, Anmerkung; ebenso: Von den Paralogismen der reinen Vernunft, a. a. O. S. 399 ff., bes. S. 412.

2a. a. O. Vorrede, Anm.

3a. a. O. S. 275.

4a. a. O. S. 275.

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Wechsel »in mir« ist daher notwendig empirisch mitgesetzt ein vorhandenes Beharrliches »außer mir«. Dieses Beharrliche ist die Bedingung der Möglichkeit des Vorhandenseins von Wechsel »in mir«. Die Erfahrung des in-der-Zeit-Seins von Vorstellungen setzt gleichursprünglich Wechselndes »in mir« und Beharrliches »außer mir«.

Der Beweis ist allerdings kein Kausalschluß und demnach nicht mit dessen Unzuträglichkeiten behaftet. Kant gibt gleichsam einen »ontologischen Beweis« aus der Idee eines zeitlich Seienden. Zunächst scheint es, als habe Kant den cartesischen Ansatz eines isoliert vorfindlichen Subjekts aufgegeben. Aber das ist nur Schein. Daß Kant überhaupt einen Beweis für das »Dasein der Dinge außer mir« fordert; zeigt schon, daß er den Fußpunkt der Problematik im Subjekt, bei dem »in mir«, nimmt. Der Beweis selbst wird denn auch im Ausgang vom empirisch gegebenen Wechsel »in mir« durchgeführt. Denn nur »in mir« ist die »Zeit«, die den Beweis trägt, erfahren. Sie gibt den Boden für den beweisenden Absprung in das »außer mir«. Überdies betont Kant: »Der problematische [Idealismus], der... nur das Unvermögen, ein Dasein außer dem unsrigen durch unmittelbare Erfahrung zu beweisen, vorgibt, ist vernünftig und einer gründlichen philosophischen Denkungsart gemäß; nämlich, bevor ein hinreichender Beweis gefunden worden, kein entscheidendes Urteil zu erlauben«1.

Aber selbst wenn der ontische Vorrang des isolierten Subjekts und der inneren Erfahrung aufgegeben wäre, bliebe ontologisch doch die Position Descartes’ erhalten. Was Kant beweist – die Rechtmäßigkeit des Beweises und seiner Basis überhaupt einmal zugestanden –, ist das notwendige Zusammenvorhandensein von wechselndem und beharrlichem Seienden. Diese Gleichordnung zweier Vorhandener besagt aber noch nicht einmal das Zusammenvorhandensein von Subjekt und Objekt. Und selbst wenn das bewiesen wäre, bliebe noch immer das ontologisch Entscheidende verdeckt: die Grundverfassung des »Subjektes«, des Daseins, als In-der-Welt-sein. Das Zusammenvorhandensein von Physischem und Psychischem ist ontisch und ontologisch völlig verschieden vom Phänomen des In-der-Welt-seins.

Den Unterschied und Zusammenhang des »in mir« und »außer mir« setzt Kant – faktisch mit Recht, im Sinne seiner Beweistendenz aber zu Unrecht – voraus. Desgleichen ist nicht erwiesen, daß, was über das Zusammenvorhandensein von Wechselndem und Beharr-

1 a. a. O. S. 275.

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lichem am Leitfaden der Zeit ausgemacht wird, auch für den Zusammenhang des »in mir« und »außer mir« zutrifft. Wäre aber das im Beweis vorausgesetzte Ganze des Unterschieds und Zusammenhangs des »Innen« und »Außen« gesehen, wäre ontologisch begriffen, was mit dieser Voraussetzung vorausgesetzt ist, dann fiele die Möglichkeit in sich zusammen, den Beweis für das »Dasein der Dinge außer mir« für noch ausstehend und notwendig zu halten.

Der »Skandal der Philosophie« besteht nicht darin, daß dieser Beweis bislang noch aussteht, sondern darin, daß solche Beweise immer wieder erwartet und versucht werden. Dergleichen Erwartungen, Absichten und Forderungen erwachsen einer ontologisch unzureichenden Ansetzung dessen, davon unabhängig und »außerhalb« eine »Welt« als vorhandene bewiesen werden soll. Nicht die Beweise sind unzureichend, sondern die Seinsart des beweisenden und beweisheischenden Seienden ist unter bestimmt. Daher kann der Schein entstehen, es sei mit dem Nachweis des notwendigen Zusammenvorhandenseins zweier Vorhandener über das Dasein als In-der-Welt-sein etwas erwiesen oder auch nur beweisbar. Das recht verstandene Dasein widersetzt sich solchen Beweisen, weil es in seinem Sein je schon ist, was nachkommende Beweise ihm erst anzudemonstrieren für notwendig halten.

Wollte man aus der Unmöglichkeit von Beweisen für das Vorhandensein der Dinge außer uns schließen, dieses sei daher »bloß auf Glauben anzunehmen«1, dann wäre die Verkehrung des Problems nicht überwunden. Die Vormeinung bliebe bestehen, im Grunde und idealerweise müßte ein Beweis geführt werden können. Mit der Beschränkung auf einen »Glauben an die Realität der Außenwelt« ist der unangemessene Problemansatz auch dann bejaht, wenn diesem Glauben ausdrücklich sein eigenes »Recht« zurückgegeben wird. Man macht grundsätzlich die Forderung eines Beweises mit, wenngleich versucht wird, ihr auf anderem Wege als dem eines stringenten Beweises zu genügen2.

1a. a. O. Vorrede, Anm.

2Vgl. W. Dilthey, Beiträge zur Lösung der Frage vom Ursprung unseres Glaubens an die Realität der Außenwelt und seinem Recht (1890). Ges. Sehr. V, 1, S. 90 ff.

Dilthey sagt gleich zu Beginn dieser Abhandlung unmißverständlich: »Denn soll es für den Menschen eine allgemeingültige Wahrheit geben, so muß, nach der zuerst von Descartes angegebenen Methode, das Denken sich einen Weg von den Tatsachen des Bewußtseins entgegen der äußeren Wirklichkeit bahnen«, a. a. O. S. 90.

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Selbst wenn man sich darauf berufen wollte, das Subjekt müsse voraussetzen und setze unbewußt auch schon immer voraus, daß die »Außenwelt« vorhanden sei, bliebe die konstruktive Ansetzung eines isolierten Subjekts doch noch im Spiel. Das Phänomen des In-der-Welt-seins wäre damit ebensowenig getroffen wie mit dem Nachweis eines Zusammenvorhandenseins von Physischem und Psychischem. Das Dasein kommt mit dergleichen Voraussetzungen immer schon »zu spät«, weil es, sofern es als Seiendes diese Voraussetzung vollzieht – und anders ist sie nicht möglich – , als Seiendes je schon in einer Welt ist. »Früher« als jede daseinsmäßige Voraussetzung und Verhaltung ist das »Apriori« der Seinsverfassung in der Seinsart der Sorge.

Glauben an die Realität der »Außenwelt«, ob mit Recht oder Unrecht, beweisen dieser Realität, ob genügend oder ungenügend, sie voraussetzen, ob ausdrücklich oder nicht, dergleichen Versuche setzen, ihres eigenen Bodens nicht in voller Durchsichtigkeit mächtig, ein zunächst weltloses bzw. seiner Welt nicht sicheres Subjekt voraus, das sich im Grunde erst einer Welt versichern muß. Das In-einer-Weltsein wird dabei von Anfang an auf ein Auffassen, Vermeinen, Gewißsein und Glauben gestellt, eine Verhaltung, die selbst immer schon ein fundierter Modus des In-der-Welt-seins ist.

Das »Realitätsproblem« im Sinne der Frage, ob eine Außenwelt vorhanden und ob sie beweisbar sei, erweist sich als ein unmögliches, nicht weil es in der Konsequenz zu unaustragbaren Aporien führt, sondern weil das Seiende selbst, das in diesem Problem im Thema steht, eine solche Fragestellung gleichsam ablehnt. Zu beweisen ist nicht, daß und wie eine »Außenwelt« vorhanden ist, sondern aufzuweisen ist, warum das Dasein als In-der-Welt-sein die Tendenz hat, die »Außenwelt« zunächst »erkenntnistheoretisch« in Nichtigkeit zu begraben, um sie dann erst zu beweisen. Der Grund dafür liegt im Verfallen des Daseins und der darin motivierten Verlegung des primären Seinsverständnisses auf das Sein als Vorhandenheit. Wenn die Fragestellung in dieser ontologischen Orientierung »kritisch« ist, dann findet sie als zunächst und einzig gewiß Vorhandenes ein bloßes »Inneres«. Nach der Zertrümmerung des ursprünglichen Phänomens des In-der-Welt- seins wird auf dem Grunde des verbleibenden Restes, des isolierten Subjekts, die Zusammenfügung mit einer »Welt« durchgeführt.

Die Vielfältigkeit der Lösungsversuche des »Realitätsproblems«, die durch die Spielarten des Realismus und Idealismus und deren Vermittlungen ausgebildet wurden, können in der vorliegenden Untersuchung nicht weitläufig besprochen werden. So gewiß in allen ein

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Kern echten Fragens zu finden sein wird, so verkehrt wäre es, wollte man die haltbare Lösung des Problems durch die Verrechnung des jeweils Richtigen gewinnen. Es bedarf vielmehr der grundsätzlichen Einsicht, daß die verschiedenen erkenntnistheoretischen Richtungen nicht so sehr als erkenntnistheoretische fehlgehen, sondern auf Grund des Versäumnisses der existenzialen Analytik des Daseins überhaupt gar nicht erst den Boden für eine phänomenal gesicherte Problematik gewinnen. Dieser Boden ist auch nicht zu gewinnen durch nachträgliche phänomenologische Verbesserungen des Subjektsund Bewußtseinsbegriffes. Dadurch ist nicht gewährleistet, daß die unangemessene Fragestellung nicht doch bestehen bleibt.

Mit dem Dasein als In-der-Welt-sein ist innerweltliches Seiendes je schon erschlossen. Diese existenzial-ontologische Aussage scheint mit der These des Realismus übereinzukommen, daß die Außenwelt real vorhanden sei. Sofern in der existenzialen Aussage das Vorhandensein von innerweltlichem Seienden nicht geleugnet wird, stimmt sie im Resultat – gleichsam doxographisch – mit der These des Realismus überein. Sie unterscheidet sich aber grundsätzlich von jedem Realismus dadurch, daß dieser die Realität der »Welt« für beweisbedürftig, aber zugleich auch für beweisbar hält. Beides ist in der existenzialen Aussage gerade negiert. Was diese aber völlig vom Realismus trennt, ist dessen ontologisches Unverständnis. Versucht er doch Realität ontisch durch reale Wirkungszusammenhänge zwischen Realem zu erklären.

Gegenüber dem Realismus hat der Idealismus, mag er im Resultat noch so entgegengesetzt und unhaltbar sein, einen grundsätzlichen Vorrang, falls er nicht als »psychologischer« Idealismus sich selbst mißversteht. Wenn der Idealismus betont, Sein und Realität sei nur »im Bewußtsein«, so kommt hier das Verständnis davon zum Ausdruck, daß Sein nicht durch Seiendes erklärt werden kann. Sofern nun aber ungeklärt bleibt, was dieses Seinsverständnis selbst ontologisch besagt, wie es möglich ist, und daß es zur Seinsverfassung des Daseins gehört, baut er die Interpretation der Realität ins Leere. Daß Sein nicht durch Seiendes erklärbar, und Realität nur im Seinsverständnis möglich ist, entbindet doch nicht davon, nach dem Sein des Bewußtseins, der res cogitans selbst zu fragen. In der Konsequenz der idealistischen These liegt die ontologische Analyse des Bewußtseins selbst als unumgängliche Voraufgabe vorgezeichnet. Nur weil Sein »im Bewußtsein« ist, das heißt verstehbar im Dasein, deshalb kann das Dasein auch Seinscharaktere wie Unabhängigkeit, »An-sich«, überhaupt Realität verstehen und zu Begriff bringen. Nur des-

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halb ist »unabhängiges« Seiendes als innerweltlich Begegnendes umsichtig zugänglich.

Besagt der Titel Idealismus soviel wie Verständnis dessen, daß Sein nie durch Seiendes erklärbar, sondern für jedes Seiende je schon das »Transzendentale« ist, dann liegt im Idealismus die einzige und rechte Möglichkeit philosophischer Problematik. Dann war Aristoteles nicht weniger Idealist als Kant. Bedeutet Idealismus die Rückführung alles Seienden auf ein Subjekt oder Bewußtsein, die sich nur dadurch auszeichnen, daß sie in ihrem Sein unbestimmt bleiben und höchstens negativ als »undinglich« charakterisiert werden, dann ist dieser Idealismus methodisch nicht weniger naiv als der grobschlächtigste Realismus.

Es bleibt noch die Möglichkeit, daß man die Realitätsproblematik vor jede »standpunktliche« Orientierung legt mit der These: jedes Subjekt ist, was es ist, nur für ein Objekt und umgekehrt. In diesem formalen Ansatz bleiben aber die Glieder der Korrelation ebenso wie diese selbst ontologisch unbestimmt. Im Grunde aber wird doch das Ganze der Korrelation notwendig als »irgendwie« seiend, also im Hinblick auf eine bestimmte Idee von Sein gedacht. Ist freilich zuvor der existenzial-ontologische Boden gesichert, mit dem Aufweis des In-der-Welt-seins, dann läßt sich nachträglich die genannte Korrelation als formalisierte, ontologisch indifferente Beziehung erkennen.

Die Diskussion der unausgesprochenen Voraussetzungen der nur »erkenntnistheoretischen« Lösungsversuche des Realitätsproblems zeigt, daß es in die existenziale Analytik des Daseins als ontologisches Problem zurückgenommen werden muß1.

1 Neuerdings hat Nicolai Hartmann nach dem Vorgang von Scheler die These vom Erkennen als »Seinsverhältnis« seiner ontologisch orientierten Erkenntnistheorie zugrundegelegt. Vgl. Grundzüge einer Metaphysik der Erkenntnis. 2. ergänzte Aufl. 1925. – Scheler wie Hartmann verkennen aber in gleicher Weise bei aller Verschiedenheit ihrer phänomenologischen Ausgangsbasis, daß die »Ontologie« in ihrer überlieferten Grundorientierung gegenüber dem Dasein versagt, und daß gerade das im Erkennen beschlossene »Seinsverhältnis« (vgl. oben S. 59 ff.) zu ihrer grundsätzlichen Revision und nicht nur kritischen Ausbesserung zwingt. Die Unterschätzung der unausgesprochenen Auswirkungsweite einer ontologisch ungeklärten Ansetzung des Seinsverhältnisses drängt Hartmann in einen »kritischen Realismus«, der im Grunde dem Niveau der von ihm exponierten Problematik völlig fremd ist. Zu Hartmanns Auffassung der Ontologie vgl. »Wie ist kritische Ontologie überhaupt möglich?« in der Festschrift für Paul Natorp 1924. S. 124 ff.

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b) Realität als ontologisches Problem

Wenn der Titel Realität das Sein des innerweltlich vorhandenen Seienden (res) meint – und nichts anderes wird darunter verstanden –, dann bedeutet das für die Analyse dieses Seinsmodus: innerweltliches Seiendes ist ontologisch nur zu begreifen, wenn das Phänomen der Innerweltlichkeit geklärt ist. Diese aber gründet im Phänomen der Welt, die ihrerseits als wesenhaftes Strukturmoment des In-der-Welt-seins zur Grundverfassung des Daseins gehört. Das In-der-Welt-sein wiederum ist ontologisch verklammert in der Strukturganzheit des Seins des Daseins, als welche die Sorge charakterisiert wurde. Damit aber sind die Fundamente und Horizonte gekennzeichnet, deren Klärung erst die Analyse von Realität ermöglicht. In diesem Zusammenhang wird auch erst der Charakter des An-sich ontologisch verständlich. Aus der Orientierung an diesem Problemzusammenhang wurde in den früheren Analysen das Sein des innerweltlichen Seienden interpretiert1.

Zwar kann in gewissen Grenzen schon eine phänomenologische Charakteristik der Realität des Realen gegeben werden ohne die ausdrückliche existenzial-ontologische Basis. Das hat Dtlthey in der oben genannten Abhandlung versucht. Reales wird in Impuls und Wille erfahren. Realität ist Widerstand, genauer Widerständigkeit. Die analytische Herausarbeitung des Widerstandsphänomens ist das Positive in der genannten Abhandlung und die beste konkrete Bewährung der Idee einer »beschreibenden und zergliedernden Psychologie«. Die rechte Auswirkung der Analyse des Widerstandsphänomens wird aber hintangehalten durch die erkenntnistheoretische Realitätsproblematik. Der »Satz von der Phänomenalität« läßt Dilthey nicht zu einer ontologischen Interpretation des Seins des Bewußtseins kommen. »Der Wille und seine Hemmung treten innerhalb desselben Bewußtseins auf«2. Die Seinsart des »Auftretens«, der Seinssinn des »innerhalb«, der Seinsbezug des Bewußtseins zum Realen selbst, all das bedarf der ontologischen Bestimmung. Daß sie ausbleibt, liegt letztlich daran, daß Dilthey das »Leben«, »hinter« das freilich nicht zurückzugehen ist, in ontologischer Indifferenz stehen ließ. Ontologische Interpretation des Daseins bedeutet jedoch nicht ontisches Zurückgehen auf

1Vgl. vor allem § 16, S. 72 ff.: Die am innerweltlichen Seienden sich meldende Weltmäßigkeit der Umwelt; § 18, S. 83 ff.: Bewandtnis und Bedeutsamkeit. Die Weltlichkeit der Welt; § 29, S. 134 ff.: Dasein als Befindlichkeit – Über das An-sich-sein des innerweltlichen Seienden vgl. S. 75 f.

2Vgl. Beiträge a. a. O. S. 134.

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ein anderes Seiendes. Daß Dilthey erkenntnistheoretisch widerlegt wurde, kann nicht davon abhalten, das Positive seiner Analysen, was bei diesen Widerlegungen gerade unverstanden blieb, fruchtbar zu machen.

So hat denn neuerdings Scheler die Realitätsinterpretation Diltheys aufgenommen1. Er vertritt eine »voluntative Daseinstheorie«. Dasein wird hierbei im Kantischen Sinne als Vorhandensein verstanden. Das »Sein der Gegenstände ist nur in der Triebund Willensbezogenheit unmittelbar gegeben«. Scheler betont nicht nur wie Dilthey, daß Realität nie primär im Denken und Erfassen gegeben wird, er weist vor allem auch darauf hin, daß Erkennen selbst wiederum nicht Urteilen und daß das Wissen ein »Seinsverhältnis« ist.

Grundsätzlich gilt auch von dieser Theorie, was schon über die ontologische Unbestimmtheit der Fundamente bei Dilthey gesagt werden mußte. Die ontologische Fundamentalanalyse des »Lebens« kann auch nicht nachträglich als Unterbau eingeschoben werden. Sie trägt und bedingt die Analyse der Realität, die volle Explikation der Widerständigkeit und ihrer phänomenalen Voraussetzungen. Widerstand begegnet in einem Nicht-durch- kommen, als Behinderung eines Durch-kommen-wollens. Mit diesem aber ist schon etwas erschlossen, worauf Trieb und Wille aus sind. Die ontische Unbestimmtheit dieses Woraufhin darf aber ontologisch nicht übersehen oder gar als Nichts gefaßt werden. Das Aussein auf..., das auf Widerstand stößt und einzig »stoßen« kann, ist selbst schon bei einer Bewandtnisganzheit. Deren Entdecktheit aber gründet in der Erschlossenheit des Verweisungsganzen der Bedeutsamkeit. Widerstandserfahrung, das heißt strebensmäßiges Entdecken von Widerständigem, ist ontologisch nur möglich auf dem Grunde der Erschlossenheit von Welt. Widerständigkeit charakterisiert das Sein des innerweltlich Seienden. Widerstandserfahrungen bestimmen faktisch nur die Weite und Richtung des Entdeckens des innerweltlich begegnenden Seienden. Ihre Summierung leitet nicht erst die Erschließung von Welt ein, sondern setzt sie voraus. Das »Wider« und »Gegen« sind in ihrer ontologischen Möglichkeit durch das erschlossene In-der-Welt-sein getragen.

1 Vgl. Die Formen des Wissens und die Bildung. Vortrag 1925. Anm. 24 und 25. Anmerkung bei der Korrektur: Scheler hat jetzt in der soeben erschienenen Sammlung von Abhandlungen »Die Wissensformen und die Gesellschaft« 1926, seine längst angekündigte Untersuchung über »Erkenntnis und Arbeit« (S. 233 ff.) veröffentlicht. Abschnitt VI dieser Abhandlung (S. 455) bringt eine ausführlichere Darlegung der »voluntativen Daseinstheorie« im Zusammenhang mit einer Würdigung und Kritik Diltheys.

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Widerstand wird auch nicht erfahren in einem für sich »auftretenden« Trieb oder Willen. Diese erweisen sich als Modifikationen der Sorge. Nur Seiendes dieser Seinsart vermag auf Widerständiges als Innerweltliches zu stoßen. Wenn sonach die Realität durch Widerständigkeit bestimmt wird, dann bleibt ein Doppeltes zu beachten: einmal ist damit nur ein Realitätscharakter unter anderen getroffen, sodann ist für Widerständigkeit notwendig schon erschlossene Welt vorausgesetzt. Widerstand charakterisiert die »Außenwelt« im Sinne des innerweltlichen Seienden, aber nie im Sinne der Welt. »Realitätsbewußtsein« ist selbst eine Weise des In-der-Welt-seins. Auf dieses existenziale Grundphänomen kommt notwendig alle »Außenweltsproblematik« zurück.

Sollte das »cogito sum« als Ausgang der existenzialen Analytik des Daseins dienen, dann bedarf es nicht nur der Umkehrung, sondern einer neuen ontologisch-phänomenalen Bewährung seines Gehalts. Die erste Aussage ist dann: »sum« und zwar in dem Sinne: ich-bin-in-einer-Welt. Als so Seiendes »bin ich« in der Seinsmöglichkeit zu verschiedenen Verhaltungen (cogitationes) als Weisen des Seins bei innerweltlichem Seienden. Descartes dagegen sagt: cogitationes sind vorhanden, darin ist ein ego mit vorhanden als weltlose res cogitans.

c) Realität und Sorge

Realität ist als ontologischer Titel auf innerweltliches Seiendes bezogen. Dient er zur Bezeichnung dieser Seinsart überhaupt, dann fungieren Zuhandenheit und Vorhandenheit als Modi der Realität. Läßt man aber diesem Wort seine überlieferte Bedeutung, dann meint es das Sein im Sinne der puren Dingvorhandenheit. Aber nicht jede Vorhandenheit ist Dingvorhandenheit. Die »Natur«, die uns »umfängt«, ist zwar innerweltliches Seiendes, zeigt aber weder die Seinsart des Zuhandenen noch des Vorhandenen in der Weise der »Naturdinglichkeit«. Wie immer dieses Sein der »Natur« interpretiert werden mag, alle Seinsmodi des innerweltlichen Seienden sind ontologisch in der Weltlichkeit der Welt und damit im Phänomen des In-der-Welt-seins fundiert. Daraus entspringt die Einsicht: Realität hat weder innerhalb der Seinsmodi des innerweltlichen Seienden einen Vorrang, noch kann gar diese Seinsart so etwas wie Welt und Dasein ontologisch angemessen charakterisieren.

Realität ist in der Ordnung der ontologischen Fundierungszusammenhänge und der möglichen kategorialen und existenzialen Ausweisung auf das Phänomen der Sorge zurückverwiesen. Daß Realität

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