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ACHTE VIGILIE

Die Bibliothek der Palmbume. — Schicksale eines unglcklichen Salamanders. — Wie die schwarze Feder eine Runkelrbe liebkoste und der Registrator Heerbrand sich sehr betrank.

Der Student Anselmus hatte nun schon mehrere Tage bei dem Archivarius Lindhorst gearbeitet; diese Arbeitsstunden waren fr ihn die glcklichsten seines Lebens, denn immer von lieblichen Klngen von Serpentina's trstenden Worten umflossen, ja oft von einem vorbergleitenden Hauche leise berhrt, durchstrmte ihn eine nie gefhlte Behaglichkeit, die oft bis zur hchsten Wonne stieg. Jede Not, jede kleinliche Sorge seiner drftigen Existenz war ihm aus Sinn und Gedanken entschwunden, und in dem neuen Leben, das ihm wie im hellen Sonnenglanze aufgegangen, begriff er alle Wunder einer hheren Welt, die ihn sonst mit Staunen, ja mit Grausen erfllt hatten. Mit dem Abschreiben ging es sehr schnell, indem es ihm immer mehr dnkte, er schreibe nur lngst gekannte Zge auf das Pergament hin und drfe kaum nach dem Original sehen, um alles mit der grten Genauigkeit nachzumalen. — Auer der Tischzeit lie sich der Archivarius Lindhorst nur dann und wann sehen, aber jedesmal erschien er genau in dem Augenblick, wenn Anselmus eben die letzten Zeichen einer Handschrift vollendet hatte, und gab ihm dann eine andere, verlie ihn aber gleich wieder schweigend, nachdem er nur mit einem schwarzen Stbchen die Tinte umgerhrt und die gebrauchten Federn mit neuen, schrfer gespitzten vertauscht hatte. Eines Tages, als Anselmus mit dem Glockenschlag zwlf bereits die Treppe hinaufgestiegen, fand er die Tr, durch die er gewhnlich hineingegangen, verschlossen, und der Archivarius Lindhorst erschien in seinem wunderlichen wie mit glnzenden Blumen bestreuten Schlafrock von der andern Seite. Er rief laut: «Heute kommen Sie nur hier herein, werter Anselmus, denn wir mssen in das Zimmer, wo Bhogovotgita's Meister unsrer warten.» Er schritt durch den Korridor und fhrte Anselmus durch dieselben Gemcher und Sle, wie das erste Mal. Der Student Anselmus erstaunte auf's neue ber die wunderbare Herrlichkeit des Gartens, aber er sah nun deutlich, da manche

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seltsame Blten, die an den dunklen Bschen hingen, eigentlich in glnzenden Farben prunkende Insekten waren, die mit den Flglein auf und nieder schlugen und durcheinander tanzend und wirbelnd sich mit ihren Saugrsseln zu liebkosen schienen. Dagegen waren wieder die rosenfarbenen und himmelblauen Vgel duftende Blumen, und der Geruch, den sie verbreiteten, stieg aus ihren Kelchen empor in leisen lieblichen Tnen, die sich mit dem Gepltscher der fernen Brunnen, mit dem Suseln der hohen Stauden und Bume zu geheimnisvollen Akkorden einer tiefklagenden Sehnsucht vermischten. Die Spottvgel, die ihn das erste Mal so geneckt und gehhnt, flatterten ihm wieder um den Kopf und schrieen mit ihren feinen Stimmchen unaufhrlich: «Herr Studiosus, Herr Studiosus, eilen Sie nicht so — gucken Sie nicht so in die Wolken — Sie knnten auf die Nase fallen. — He, he! Herr Studiosus — nehmen Sie den Pudermantel um — Gevatter Schuhu soll Ihnen den Toupet frisieren.» So ging es fort in allerlei dummem Geschwtz, bis Anselmus den Garten verlassen. Der Archivarius Lindhorst trat endlich in das azurblaue Zimmer; der Porphyr mit dem goldnen Topf war verschwunden, statt dessen stand ein mit violettem Samt behangener Tisch, auf dem die dem Anselmus bekannten Schreibmaterialien befindlich, in der Mitte des Zimmers und ein ebenso beschlagener Lehnstuhl stand vor demselben. «Lieber Herr Anselmus,» sagte der Archivarius Lindhorst, «Sie haben nun schon manches Manuskript schnell und richtig zu meiner Zufriedenheit kopiert, Sie haben sich mein Zutrauen erworben; das Wichtigste bleibt aber noch zu tun brig, und das ist das Abschreiben oder vielmehr Nachmalen gewisser in besonderen Zeichen geschriebener Werke, die ich hier in diesem Zimmer aufbewahre und die nur an Ort und Stelle kopiert werden knnen. Sie werden daher knftig hier arbeiten, aber ich mu Ihnen die grte Vorsicht und Aufmerksamkeit empfehlen; ein falscher Strich, oder was der Himmel verhten mge, ein Tintenfleck auf das Original gespritzt, strzt Sie ins Unglck.» — Anselmus bemerkte, da aus den goldnen Stmmen der Palmbume kleine smaragdgrne Bltter herausragten; eins dieser Bltter erfate der Archivarius, und Anselmus wurde gewahr, da das Blatt eigentlich in einer Pergamentrolle bestand, die der Archivarius aufwickelte und vor ihm auf den Tisch breitete. Anselmus wunderte sich nicht wenig ber die seltsam verschlungenen Zeichen, und bei dem Anblick der vielen Pnktchen, Striche und Zge und Schnrkel, die bald

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Pflanzen, bald Moose, bald Tiergestalten darzustellen schienen, wollte ihm beinahe der Mut sinken, alles so genau nachmalen zu knnen. Er geriet darber in tiefe Gedanken. «Mut gefat, junger Mensch!» rief der Archivarius, «hast Du bewhrten Glauben und wahre Liebe, so hilft Dir Serpentina!» Seine Stimme tnte wie klingendes Metall, und als Anselmus in jhem Schreck aufblickte, stand der Archivarius Lindhorst in der kniglichen Gestalt vor ihm, wie er ihm bei dem ersten Besuch im Bibliothekzimmer erschienen. Es war dem Anselmus, als msse er von Ehrfurcht durchdrungen auf die Knie sinken, aber da stieg der Archivarius Lindhorst an dem Stamm eines Palmbaums in die Hhe und verschwand in den smaragdnen Blttern. — Der Student Anselmus begriff, da der Geisterfrst mit ihm gesprochen und nun in sein Studierzimmer hinaufgestiegen, um vielleicht mit den Strahlen, die einige Planeten als Gesandte zu ihm geschickt, Rcksprache zu halten, was nun mit ihm und der holden Serpentina geschehen solle. — Auch kann es sein, dachte er ferner, da ihn Neues von den Quellen des Nils erwartet, oder da ein Magus aus Lappland ihn besucht — mir geziemt es nun, emsig an die Arbeit zu gehen. — Und damit fing er an die fremden Zeichen der Pergamentrolle zu studieren. — Die wunderbare Musik des Gartens tnte zu ihm herber und umgab ihn mit sen lieblichen Dften, auch hrte er wohl die Spottvgel kickern, doch verstand er ihre Worte nicht, was ihm auch recht lieb war. Zuweilen war es auch als rauschten die smaragdenen Bltter der Palmbume und als strahlten dann die holden Kristallklnge, welche Anselmus an jenem verhngnisvollen Himmelfahrtstage unter dem Holunderbusch hrte, durch das Zimmer. Der Student Anselmus, wunderbar gestrkt durch dies Tnen und Leuchten, richtete immer fester und fester Sinn und Gedanken auf die berschrift der Pergamentrolle, und bald fhlte er wie aus dem Innersten heraus, da die Zeichen nichts anders bedeuten knnten, als die Worte: Von der Vermhlung des Salamanders mit der grnen Schlange. — Da ertnte ein starker Dreiklang heller Kristallglocken. — «Anselmus, lieber Anselmus,» wehte es ihm zu aus den Blttern, und o Wunder! an dem Stamm des Palmbaums schlngelte sich die grne Schlange herab. — «Serpentina! holde Serpentina!» rief Anselmus wie im Wahnsinn des hchsten Entzckens, denn so wie er schrfer hinblickte, da war es ja ein liebliches herrliches Mdchen, die mit den dunkelblauen Augen, wie sie in seinem Innern lebten, voll

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unaussprechlicher Sehnsucht ihn anschauend, ihm entgegenschwebte. Die Bltter schienen sich herabzulassen und auszudehnen, berall sproten Stacheln aus den Stmmen, aber Serpentina wand und schlngelte sich geschickt durch, indem sie ihr flatterndes, wie in schillernden Farben glnzendes Gewand nach sich zog, so da es sich dem schlanken Krper anschmiegend nirgends hngen blieb an den hervorragenden Spitzen und Stacheln der Palmbume. Sie setzte sich neben dem Anselmus auf denselben Stuhl, ihn mit dem Arm umschlingend und an sich drckend, so da er den Hauch, der von ihren Lippen strmte, die elektrische Wrme ihres Krpers fhlte. «Lieber Anselmus!» fing Serpentina an, «nun bist Du bald ganz mein, durch Deinen Glauben, durch Deine Liebe erringst Du mich, und ich bringe Dir den goldnen Topf, der uns beide beglckt immerdar.» — «O Du holde, liebe Serpentina,» sagte Anselmus, «wenn ich nur Dich habe, was kmmert mich sonst alles brige? Wenn Du nur mein bist, so will ich gern untergehen in all' dem Wunderbaren und Seltsamen, was mich befngt seit dem Augenblick, als ich Dich sah.» — «Ich wei wohl,» fuhr Serpentina fort, «da das Unbekannte und Wunderbare, womit mein Vater oft nur zum Spiel seiner Laune Dich umfangen, Grausen und Entsetzen in Dir erregt hat, aber jetzt soll es, wie ich hoffe, nicht wieder geschehen, denn ich bin in diesem Augenblick nur da, um Dir, mein lieber Anselmus, alles und jedes aus tiefem Gemte, aus tiefer Seele haarklein zu erzhlen, was Dir zu wissen ntig, um meinen Vater ganz zu kennen und berhaupt recht deutlich einzusehen, was es mit ihm und mit mir fr eine Bewandtnis hat.» Dem Anselmus war es, als sei er von der holden lieblichen Gestalt so ganz und gar umschlungen und umwunden, da er sich nur mit ihr regen und bewegen knne, und als sei es nur der Schlag ihres Pulses, der durch seine Fibern und Nerven zitterte; er horchte auf jedes ihrer Worte, das bis in sein Innerstes erklang und wie ein leuchtender Strahl die Wonne des Himmels in ihm entzndete. Er hatte den Arm um ihren schlanker als schlanken Leib gelegt, aber der schillernde glnzende Stoff ihres Gewandes war so glatt, so schlpfrig, da es ihm schien, als knne sie, sich ihm schnell entwindend, unaufhaltsam entschlpfen, und er erbebte bei dem Gedanken. «Ach, verla mich nicht, holde Serpentina!» rief er unwillkrlich aus, «nur Du bist mein Leben!» — «Nicht eher heute,» sagte Serpentina, «als bis ich alles erzhlt habe, was Du in Deiner Liebe zu mir begreifen kannst. — Wisse also, Geliebter, da mein Vater

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aus dem wunderbaren Geschlecht der Salamander abstammt, und da ich mein Dasein seiner Liebe zur grnen Schlange verdanke. In uralter Zeit herrschte in dem Wunderlande Atlantis der mchtige Geisterfrst Phosphorus, dem die Elementargeister dienten. Einst ging der Salamander, den er vor allen liebte (es war mein Vater), in dem prchtigen Garten, den des Phosphorus Mutter mit ihren schnsten Gaben auf das herrlichste geschmckt hatte, umher und hrte, wie eine hohe Lilie in leisen Tnen sang: «Drcke fest die uglein zu, bis mein Geliebter, der Morgenwind, Dich weckt.» Er trat hinzu; von seinem glhenden Hauch berhrt, erschlo die Lilie ihre Bltter und er erblickte der Lilie Tochter, die grne Schlange, welche in dem Kelch schlummerte. Da wurde der Salamander von heier Liebe zu der schnen Schlange ergriffen, und er raubte sie der Lilie, deren Dfte in namenloser Klage vergebens im ganzen Garten nach der geliebten Tochter riefen. Denn der Salamander hatte sie in das Schlo des Phosphorus getragen und bat ihn: vermhle mich mit der Geliebten, denn sie soll mein eigen sein immerdar. Trichter, was verlangst du! sprach der Geisterfrst, wisse, da einst die Lilie meine Geliebte war und mit mir herrschte; aber der Funke, den ich in sie warf, drohte sie zu vernichten und nur der Sieg ber den schwarzen Drachen, den jetzt die Erdgeister in Ketten gebunden halten, erhielt die Lilie, da ihre Bltter stark genug blieben, den Funken in sich zu schlieen und zu bewahren. Aber, wenn Du die grne Schlange umarmst, wird Deine Glut den Krper verzehren und ein neues Wesen schnell emporkeimend sich Dir entschwingen. Der Salamander achtete der Warnung des Geisterfrsten nicht; voll glhenden Verlangens schlo er die grne Schlange in seine Arme, sie zerfiel in Asche und ein geflgeltes Wesen aus der Asche geboren rauschte fort durch die Lfte. Da ergriff den Salamander der Wahnsinn der Verzweiflung und er rannte Feuer und Flammen sprhend durch den Garten und verheerte ihn in wilder Wut, da die schnsten Blumen und Blten verbrannt niedersanken und ihr Jammer die Luft erfllte. Der hocherzrnte Geisterfrst erfate im Grimm den Salamander und sprach: Ausgeraset hat Dein Feuer — erloschen sind Deine Flammen, erblindet Deine Strahlen — sinke hinab zu den Erdgeistern, die mgen Dich necken und hhnen und gefangen halten, bis der Feuerstoff sich wieder entzndet und mit Dir als einem neuen Wesen aus der Erde emporstrahlt.

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Der arme Salamander sank erloschen hinab, aber da trat der alte mrrische Erdgeist, der des Phosphorus Grtner war, hinzu und sprach: Herr! wer sollte mehr ber den Salamander klagen als ich? Habe ich nicht all die schnen Blumen, die er verbrannt, mit meinen schnsten Metallen geputzt? habe ich nicht ihre Keime wacker gehegt und gepflegt und an ihnen manche schne Farbe verschwendet? — und doch nehme ich mich des armen Salamanders an, den nur die Liebe, von der Du selbst schon oft, o Herr, befangen, zur Verzweiflung getrieben, in der er den Garten verwstet. Erlasse ihm die zu harte Strafe! — Sein Feuer ist fr jetzt erloschen, sprach der Geisterfrst; in der unglcklichen Zeit, wenn die Sprache der Natur dem entarteten Geschlecht der Menschen nicht mehr verstndlich sein, wenn die Elementargeister in ihre Regionen gebannt, nur aus weiter Ferne in dumpfen Anklngen zu den Menschen sprechen werden, wenn dem harmonischen Kreise entrckt, nur ein unendliches Sehnen ihm die dunkle Kunde von dem wundervollen Reiche geben wird, das er sonst bewohnen durfte, als noch Glaube und Liebe in seinem Gemte wohnten, — in dieser unglcklichen Zeit entzndet sich der Feuerstoff des Salamanders auf's neue, doch nur zum Menschen keimt er empor und mu, ganz eingehend in das drftige Leben, dessen Bedrngnisse ertragen. Aber nicht allein die Erinnerung an seinen Urzustand soll ihm bleiben, sondern er lebt auch wieder auf in der heiligen Harmonie mit der ganzen Natur, er versteht ihre Wunder und die Macht der verbrderten Geister steht ihm zu Gebote. In einem Lilienbusch findet er dann die grne Schlange wieder, und die Frucht seiner Vermhlung mit ihr sind drei Tchter, die den Menschen in der Gestalt der Mutter erscheinen. Zur Frhlingszeit sollen sie sich in den dunklen Holunderbusch hngen und ihre lieblichen Kristallstimmen ertnen lassen. Findet sich dann in der drftigen armseligen Zeit der innern Verstocktheit ein Jngling, der ihren Gesang vernimmt, ja, blickt ihn eine der Schlnglein mit ihren holdseligen Augen an, entzndet der Blick in ihm die Ahnung des fernen wundervollen Landes, zu dem er sich mutig emporschwingen kann, weil er die Brde des Gemeinen abgeworfen, keimt mit der Liebe zur Schlange in ihm der Glaube an die Wunder der Natur, ja an seine eigene Existenz in diesen Wundern glutvoll und lebendig auf, so wird die Schlange sein. Aber nicht eher, bis drei Jnglinge dieser Art erfunden und mit den drei Tchtern vermhlt werden, darf der Salamander seine lstige Brde abwerfen und zu

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seinen Brdern gehen. Erlaube, Herr, sagte der Erdgeist, da ich diesen drei Tchtern ein Geschenk mache, das ihr Leben mit dem gefundenen Gemahl verherrlicht. Jede erhlt von mir einen Topf vom schnsten Metall, das ich besitze; den poliere ich mit Strahlen, die ich dem Diamant entnommen; in seinem Glanze soll sich unser wundervolles Reich, wie es jetzt im Einklang mit der ganzen Natur besteht, in blendendem herrlichem Widerschein abspiegeln, aus seinem Innern aber in dem Augenblick der Vermhlung eine Feuerlilie entsprieen, deren ewige Blte den bewhrt befundenen Jngling s duftend umfngt. Bald wird er dann ihre Sprache, die Wunder unseres Reichs verstehen und selbst mit der Geliebten in Atlantis wohnen. — Du weit nun wohl, lieber Anselmus, da mein Vater eben der Salamander ist, von dem ich Dir erzhlt. Er mute seiner hheren Natur unerachtet sich den kleinlichsten Bedrngnissen des gemeinen Lebens unterwerfen, und daher kommt wohl oft die schadenfrohe Laune, mit der er manche neckt. Er hat mir oft gesagt, da fr die innere Geistesbeschaffenheit, wie sie der Geistesfrst Phosphorus damals als Bedingnis der Vermhlung mit mir und meinen Schwestern aufgestellt, man jetzt einen Ausdruck habe, der aber nur zu oft unschicklicher Weise gemibraucht werde; man nenne das nmlich ein kindliches poetisches Gemt. — Oft finde man dieses Gemt bei Jnglingen, die der hohen Einfachheit ihrer Sitten wegen und weil es ihnen ganz an der sogenannten Weltbildung fehle, von dem Pbel verspottet wrden. Ach, lieber Anselmus, Du verstandest ja unter dem Holunderbusch meinen Gesang — meinen Blick — Du liebst die grne Schlange, Du glaubst an mich und willst mein sein immerdar! Die schne Lilie wird emporblhen aus dem goldnen Topf und wir werden vereint glcklich und selig in Atlantis wohnen! — Aber nicht verhehlen kann ich Dir, da im grlichen Kampf mit den Salamandern und Erdgeistern sich der schwarze Drache loswand und durch die Lfte davonbrauste. Phosphorus hlt ihn zwar wieder in Banden, aber aus den schwarzen Federn, die im Kampfe auf die Erde stubten, keimten feindliche Geister empor, die berall den Salamandern und Erdgeistern widerstreben. Jenes Weib, das Dir so feindlich ist, lieber Anselmus, und das, wie mein Vater recht gut wei, nach dem Besitz des goldnen Topfes strebt, hat ihr Dasein der Liebe einer solchen, aus dem Fittich des Drachen herabgestubten Feder zu einer Runkelrbe zu verdanken. Sie erkennt ihren Ursprung und ihre Gewalt, denn in dem Sthnen, in den

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Zuckungen des gefangenen Drachen werden ihr die Geheimnisse mancher wundervollen Konstellation offenbar, und sie bietet alle Mittel auf, von auen hinein ins Innere zu wirken, wogegen sie mein Vater mit den Blitzen, die aus dem Innern des Salamanders hervorschieen, bekmpft. Alle die feindlichen Prinzipe, die in schdlichen Krutern und giftigen Tieren wohnen, sammelt sie und erregt, sie mischend, in gnstiger Konstellation, manchen bsen Spuk, der des Menschen Sinne mit Grauen und Entsetzen befngt und ihn der Macht jener Dmonen, die der Drache im Kampfe unterliegend erzeugte, unterwirft. Nimm Dich vor der Alten in acht, lieber Anselmus, sie ist Dir feind, weil Dein kindlich frommes Gemt schon manchen ihrer bsen Zauber vernichtet. — Halte treu — treu — an mir, bald bist Du am Ziel!» — «O meine — meine Serpentina!» rief der Student Anselmus, «wie sollte ich denn nur von Dir lassen knnen, wie sollte ich Dich nicht lieben ewiglich!» — Ein Ku brannte auf seinem Munde, er erwachte wie aus einem tiefen Traume; Serpentina war verschwunden, es schlug sechs Uhr, da fiel es ihm schwer aufs Herz, da er nicht das mindeste kopiert habe; er blickte voll Besorgnis, was der Archivarius wohl sagen werde, auf das Blatt, und o Wunder! die Kopie des geheimnisvollen Manuskripts war glcklich beendigt, und er glaubte, schrfer die Zge betrachtend, Serpentina's Erzhlung von ihrem Vater, dem Liebling des Geisterfrsten Phosphorus im Wunderlande Atlantis, abgeschrieben zu haben. Jetzt trat der Archivarius Lindhorst in seinem weigrauen berrock, den Hut auf dem Kopfe, den Stock in der Hand, herein; er sah in das von dem Anselmus beschriebene Pergament, nahm eine groe Priese und sagte lchelnd; das dacht ich wohl! Nun! hier ist der Speziestaler, Herr Anselmus, jetzt wollen wir noch nach dem Linkeschen Bade gehen — nur mir nach! — Der Archivarius schritt rasch durch den Garten, in dem ein solcher Lrm von Singen, Pfeifen, Sprechen durcheinander war, da der Student Anselmus ganz betubt wurde und dem Himmel dankte, als er sich auf der Strae befand. Kaum waren sie einige Schritte gegangen, als sie dem Registrator Heerbrand begegneten, der freundlich sich anschlo. Vor dem Tore stopften sie die mitgenommenen Pfeifen; der Registrator Heerbrand beklagte kein Feuerzeug bei sich zu tragen, da rief der Archivarius Lindhorst ganz unwillig: «was Feuerzeug! — hier ist Feuer, so viel Sie wollen!» Und damit schnippte er mit den Fingern, aus denen groe

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Funken strmten, die die Pfeifen schnell anzndeten. «Sehen Sie das chemische Kunststckchen,» sagte der Registrator Heerbrand, aber der Student Anselmus dachte nicht ohne inneres Erbeben an den Salamander. — Im Linkeschen Bade trank der Registrator Heerbrand so viel starkes Doppelbier, da er, sonst ein gutmtiger stiller Mann, anfing in einem qukenden Tenor Burschenlieder zu singen, und jeden hitzig fragte: ob er sein Freund sei oder nicht, und endlich von dem Studenten Anselmus zu Hause gebracht werden mute, als der Archivarius Lindhorst schon lngst auf und davon war.

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NEUNTE VIGILIE

Wie der Student Anselmus zu einiger Vernunft gelangte. — Die Punschgesellschaft. — Wie der Student Anselmus den Konrektor Paulmann fr einen Schuhu hielt und dieser darob sehr erzrnte. — Der Tintenklecks und seine Folgen.

Alles das Seltsame und Wundervolle, welches dem Studenten Anselmus tglich begegnet war, hatte ihn ganz dem gewhnlichen Leben entrckt. Er sah keinen seiner Freunde mehr und harrte jeden Morgen mit Ungeduld auf die zwlfte Stunde, die ihm sein Paradies aufschlo. Und doch, indem sein ganzes Gemt der holden Serpentina und den Wundern des Feenreiches bei dem Archivarius Lindhorst zugewandt war, mute er zuweilen unwillkrlich an Veronika denken, ja manchmal schien es ihm als trte sie zu ihm hin und gestehe errtend, wie herzlich sie ihn liebe und wie sie danach trachte, ihn den Phantomen, von denen er nur geneckt und verhhnt werde, zu entreien. Zuweilen war es, als risse eine fremde, pltzlich auf ihn einbrechende Macht ihn unwiderstehlich hin zur vergessenen Veronika, und er msse ihr folgen wohin sie nur wolle, als sei er festgekettet an das Mdchen. Gerade in der Nacht darauf, als er Serpentina zum erstenmal in der Gestalt einer wunderbar holdseligen Jungfrau geschaut, als ihm das wunderbare Geheimnis der Vermhlung des Salamanders mit der grnen Schlange offenbar worden, trat ihm Veronika lebhafter vor die Augen als jemals. — Ja! — erst als er erwachte, wurde er deutlich gewahr, da er nur getrumt habe, da er berzeugt gewesen, Veronika sei wirklich bei ihm und klage mit dem Ausdruck eines tiefen Schmerzes, der sein Innerstes durchdrang, da es ihre innige Liebe den phantastischen Erscheinungen, die nur seine innere Zerrttung hervorrufe, aufopfern und noch darber in Unglck und Verderben geraten werde. Veronika war liebenswrdiger, als er sie je gesehen; er konnte sie kaum aus den Gedanken bringen, und dieser Zustand verursachte ihm eine Qual, der er bei einem Morgenspaziergang zu entrinnen hoffte. Eine geheime magische Gewalt zog ihn vor das Pirnaer Tor und eben wollte er in eine Nebenstrae einbiegen, als der Konrektor Paulmann hinter ihm her kommend laut rief: «Ei, ei! — wertester Herr Anselmus! — Amice! — Amice! wo um des

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